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Klaus J. Bade, Jochen Oltmer, Normalfall Migration: Texte zur Einwandererbevölkerung und neue Zuwanderung im vereinigten Deutschland seit 1990, Bundeszentrale für Politische Bildung bpb 2004

Auswanderung aus Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg

Die Überseeauswanderung aus Europa sank nach dem Ersten Weltkrieg im Vergleich zur Vorkriegszeit insgesamt stark ab. Deutschland aber bildete einen wichtigen Ausnahmefall; denn hier stiegen die Auswanderungsziffern im Vergleich zu den letzten zwei Jahrzehnten vor 1914 deutlich an: Zwischen 1919 und 1932 wanderten insgesamt rund 600000 Deutsche in überseeische Länder aus. Mit rund 71 Prozent blieben die Vereinigten Staaten von Amerika das Hauptziel; Argentinien, Australien, Brasilien und Kanada folgten mit erheblichem Abstand. Den Höhepunkt der Auswanderung aus der Weimarer Republik bildete das „Krisenjahr“ 1923. 115000 Auswanderer bedeuteten einen Jahreswert, wie er seit der letzten großen Auswanderungswelle des 19. Jahrhunderts zwischen 1880 und 1893 nicht mehr erreicht worden war.

Mehrere wesentliche Faktoren trieben die Auswanderung in den frühen 1920er-Jahren in die Höhe: Die Behinderung von Auswanderung im Ersten Weltkrieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte für viele Menschen bedeutet, dass sie ihren Entschluss zur Auswanderung zunächst aufschieben mussten. Diese Auswanderungswilligen konnten dann erst Anfang der 1920er-Jahre abreisen. Manche waren auch darunter, die sich nunmehr sehr plötzlich auf den Weg machten, weil die Inflation in Deutschland ihre Geldreserven zusammenschmilzen ließ und sie ihren langfristigen Plan zur Auswanderung überstürzt umsetzen mussten. Ebenfalls unmittelbar mit den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Inflation verbunden war die Auswanderung derjenigen, die schlichtweg mit der Hoffnung auf eine bessere Existenz aus der Krise flüchteten. Darüber hinaus gab es noch diejenigen, die aus den abgetretenen Gebieten des Reiches gekommen waren oder aus den ehemaligen deutschen Kolonien bzw. den deutschen Siedlungsgebieten in Ost-, Ostmittel- und Südosteu­ropa. Viele von ihnen sahen angesichts der Krise für sich keine Chance in Deutschland.

Mit der Stabilisierung der Währung Ende 1923 und den US-amerikanischen Einwanderungsbeschränkungen für das Jahr 1924 sanken die deutschen Auswandererzahlen bis zum Ende der 1920er-Jahre deutlich auf etwa die Hälfte des Wertes für 1923 ab. Mit dem Ende von Nachkriegskrise und Hyperinflation 1923 schwenkte also auch die deutsche Auswanderung auf den europäischen Trend abnehmender Auswandererzahlen ein. In der Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er-Jahre zählte Deutschland dann nur noch 10000 bis 15000 Auswanderer pro Jahr.

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