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Klaus J. Bade, Jochen Oltmer, Normalfall Migration: Texte zur Einwandererbevölkerung und neue Zuwanderung im vereinigten Deutschland seit 1990, Bundeszentrale für Politische Bildung bpb 2004

Von Italien nach Deutschland 1961. Rocco A. berichtet

„Dann habe ich zwei Jahre nach der Militärzeit doch rumgehört, und dann habe ich mich entschlossen, aufgrund eines Plakats, das ich gesehen hatte am Arbeitsamt, daß Deutschland Arbeitskräfte suchte. Das war ja schon 1961. Und dann habe ich mich entschlossen [...] nach Deutschland zu gehen, um meine Situation ökonomisch [...] zu verbessern. Ich wollte ja nicht länger auf der Tasche meines Vaters liegen. [...] Dieser Drang danach, selbständig zu werden, führte mich nach Verona. Und [...] aus diesem Plakat ging nicht hervor, wo man hinkommt, sondern man mußte sich am Arbeitsamt melden. Und vermittelt wurde man nicht sofort nach Deutschland, sondern vermittelt wurden wir von den regionalen Arbeitsämtern nach Verona. Verona war eine Sammelstelle für alle Italiener, die nach Deutschland kommen wollten. Und dort waren also Büros, da waren Ärzte, da waren Angestellte, die uns geprüft haben, ob wir [...] die Veranlagung hatten, zu arbeiten in Form von Gesundheit, in Form von Umschauen, ob wir in die jeweiligen Wirtschaftszweige reinpaßten. [...] Man mußte sich in eine Reihe hinstellen, sich nackt ausziehen, sich mal abtasten lassen überall, um schauen zu können, ob man [eine] bestimmte Krankheit hatte. [...] Diese Untersuchung also war der Persilschein [...] für ein besseres Leben sozusagen. [...]

Nach dieser Untersuchung wurden wir in ein anderes Zimmer gebracht, und wir konnten ja überhaupt nicht aussuchen, wo wir arbeiten wollen, sondern sie haben uns nach den körperlichen [Merkmalen], nach der Gesundheit [...] in bestimmte Zweige geschickt und ob das in der Landwirtschaft oder an den Bahnstrecken oder im Straßenbau oder im Automobilbau oder in anderen Dingen mehr [war]. [...] Der erste Weg, den ich beschritten habe nach Deutschland, war eine Zuckerfabrik. [...]

Wer sich einen Tag oder zwei in Verona aufhält, versteht die Welt nicht mehr. Und der [...] läuft wie ein Roboter durch die Gegend, von einem Zimmer in ein anderes, bis in einen Riesenraum, und dort waren all diejenigen, die nach Deutschland kommen sollten, die dann abtransportiert wurden am Bahnhof. Und da [...] sind wir in einen Zug gesetzt worden. [...] Ich hatte ja einen Zettel in der Hand, da stand drauf ‚Hannover’. Wo ich überhaupt nicht wußte, [wo das ist].“

Quelle: Andreas Urban/Marianne Winkler, „hier geblieben“. Zuwanderung und Integration in Niedersachsen 1945 bis heute, Hannover 2002, S. 40.

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