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Interkulturelle Kompetenz in der sozialpädagogischen Arbeit

Pauline Clapeyron

„Die multikulturelle Gesellschaft ist einfach da. Nun kommt es darauf an, wie wir sie haben wollen: als Schlachtfeld oder als halbwegs erträgliche Lebensform.“ (Leggewie, C.)

1 Vorwort

2 Bedeutung interkulturellen Trainings in der sozialpädagogischen Arbeit

3 Allgemeine Inhalte interkultureller Trainings

4 Förderliche Eigenschaften zum Lernen interkultureller Kompetenz

5 Spezifische Inhalte interkulturellen Trainings im sozialpädagogischen Bereich

6 Methoden interkulturellen Trainings

7 Phasen interkulturellen Lernens


1 Vorwort

Der Inhalt dieses Beitrags ist der Versuch aus meiner eigenen Trainingspraxis mit vielfältigen sozialpädagogischen Einrichtungen und aus unterschiedlichen Veröffentlichungen zum interkulturellen Lernen folgendes zu vermitteln:

Ich habe nicht den Anspruch, die Thematik vollständig und wissenschaftlich zu behandeln. Vielmehr wurde ich gebeten, eine Art Bericht über meine bisherigen Erfahrungen und Reflexionen zum Thema zu verfassen. Ich würde mich freuen, wenn dadurch LeserInnen motiviert werden, mehr dazu zu erfahren oder selbst an Trainings teilzunehmen.

2 Bedeutung interkulturellen Trainings in der sozialpädagogischen Arbeit

Schon lange leben wir in einer Gesellschaft, die von Ein- und Auswanderung geprägt ist, und in einer Arbeitswelt, die sich stets internationalisiert.

„(...) immer weniger Menschen werden in Zukunft ihr ganzes Leben dort verbringen, wo sie geboren wurden. Und noch die Sesshaftesten werden erleben, dass die Welt zu ihnen nach Hause kommt, auch wenn sie selbst sich nicht vom Fleck bewegen.“ (Römhild, R.).

Eine solche multikulturelle Gesellschaft impliziert nicht zwangsläufig, dass das interkulturelle Zusammenleben von allein gelingt.

 

Ausgangspunkt zu Prozess zu Ergebnis – Interkulturelle Bildung und Interkulturelle Begegnungen zu Interkulturelles Lernen zu Interkulturelle Kompetenz

 

Obwohl Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen in unmittelbarer Nähe wohnen und arbeiten, bleibt ihr Zusammenleben meist von der Unkenntnis um die Kompetenzen der jeweils „anderen“ und der Nutzung deren vielfältiger Fähigkeiten und Fertigkeiten geprägt. Eher sind es Vorbehalte – bewusst oder unbewusst – wenn nicht gar Vorurteile und Diskriminierung, die deren Alltag bestimmen. Durch das Vermeiden vom persönlichen Kontakt wird versucht, Konfliktpotential und Missverständnisse soweit wie möglich zu umgehen. Das ist eine „normale menschliche“ Reaktion! Die Konfrontation mit „Fremden“ ist für den Menschen schon immer eine unbequeme Situation gewesen, die vorerst Unsicherheit, Unverständnis und ein gewisses Unwohlsein auslöst. Die Multikulturalität als Bereicherung zu empfinden ist keine Selbstverständlichkeit, vielmehr ist es ein anstrengender Lernprozess. Denn dabei werden unsere kulturelle Identität, unsere Werte und Normen hinterfragt, wir müssen uns mit uns selbst und mit dem Anderem auseinandersetzen.

In diesem Sinne werden sozialpädagogische Einrichtungen beauftragt, Kinder und Jugendliche zu befähigen, in interkulturellen Kontexten zu leben und zu arbeiten,

„(…) sich in kulturellen Überschneidungssituationen angemessen orientieren und verhalten zu können.“ (vgl. Dadder, R.)

In Lehrplänen, Rahmenrichtlinien und Empfehlungen der Kultusministerkonferenz wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig interkulturelle Bildung und Erziehung sei. In der Praxis berichten Lehrkräfte und Sozialarbeiter-Innen stets über den Bedarf an Qualifikation für den pädagogischen Umgang mit multikulturellen Gruppen.

In der Grundausbildung von Sozialberufen dagegen ist das Angebot an Lehrveranstaltungen zum Erwerb interkultureller Fertigkeiten sehr mangelhaft. Interkulturelles Training bietet also eine Möglichkeit der Fortbildung.

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3 Allgemeine Inhalte interkultureller Trainings

Die Entwicklung interkultureller Kompetenz führt von der Sensibilisierung für die Problematik über die kulturelle Selbstreflexion zur kulturellen Fremdreflexion und von dort zur Überprüfung dieser Reflexion in oder an der Realität. In verschiedenen theoretischen Ansätzen (vgl. u.a. Hofstede, G. und Dr. J. Berninghausen) werden beim Lernprozess interkultureller Kompetenz folgende Ebenen – auf denen interkulturelle Trainings ansetzen – unterschieden:

 

„Die kulturelle Praxis der Einwanderungsgesellschaft hält sich weder an die ethnischen Sortiermuster der etablierten Multikultur, noch lässt sie sich in einen interkulturellen Anpassungsdialog zwingen. Kulturen lassen sich weniger denn je in Grenzen und Vorgaben pressen. Sie wandern und verändern sich mit den Menschen.“ (Römhild, R.).

Deshalb ist ein wichtiges Lernziel interkultureller Kompetenz, vermeintlich angeeignetes Wissen und Überzeugungen über andere Menschen, Gruppen und Situationen immer wieder zu überprüfen, immer wieder bereit zu sein, Verallgemeinerungen um der differenzierten Wahrnehmung der Person, der Gegebenheiten willen, aufzugeben. Trotzdem ist die Aneignung persönlicher Fähigkeiten und Techniken, das Erlernen des Handwerkszeugs (individuelle Handlungsebene) eine Seite der Medaille interkultureller Kompetenz. Die andere Seite ist die sozialräumliche und politische Gestaltungsfähigkeit (strukturelle und politische Ebenen). Nicht alle interkulturellen Probleme sind auf »kulturelle Unterschiede« zurückzuführen: relevant sind immer auch Partizipationsmöglichkeiten und Beziehungs-, Macht- und Abhängigkeitskonstella-tionen, in denen wir uns befinden. Sensibilität und Analysefähigkeit, diese zu erkennen, sind deshalb auch Elemente interkulturellen Lernens, das auf gleichberechtigtes und demokratisches Zusammenleben ausgerichtet ist.

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4 Förderliche Eigenschaften zum Lernen interkultureller Kompetenz

Die interkulturelle Kompetenz ist trainierbar, es ist jedoch ein lebenslanger Lernprozess. Er wird aufgrund bestimmter Fähigkeiten gefördert, z.B. durch (vgl. Dr. Hecht-el Minshawi, B.):

 

„Interkulturell kompetent zu sein, bedeutet, dass wir als Individuen Fähigkeiten entwickelt haben, uns in sehr verschiedenen Situationen, in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten auf andere Menschen zu beziehen und mit ihnen zu kommunizieren und uns dabei unserer eigenen Werte und kulturellen Eingebundenheit bewusst sind. Die ethnische/nationale Kultur ist dabei nur ein Identitätsmerkmal von vielen in der Konstruktion unserer sozialen Identitäten (vgl. Hoffmann, E.). Identität versteht Hoffmann als etwas Dynamisches: die multikulturelle und multiple Identität jedes Einzelnen wird in Interaktion mit seinem sozialen Umfeld ständig neu geschaffen.“ (Piontek, R.)

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5 Spezifische Inhalte interkulturellen Trainings im sozialpädagogischen Bereich

In der Alltagspraxis stehen SozialpädagogInnen vor einer doppelten Herausforderung im Bereich der interkulturellen Kompetenz und haben dementsprechend auf zwei Ebenen Fortbildungsbedarf:

Dazu bieten interkulturelle Workshops folgende Möglichkeiten:

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6 Methoden interkulturellen Trainings

Interkulturelle Kompetenz ist lernbar. Sie kann sich einerseits durch Lebens-, Welt- und Berufserfahrung entwickeln – dabei vor allem durch die erfolgreiche Bewältigung von Fremdheitssituationen, Widerständen und Identitätskrisen. Andererseits kann man diesem Lernprozess durch professionell angeleitete Refl exion und Übung nachhelfen. Anhand interaktiver und partizipativer Übungen kann in Trainings diese Handlungskompetenz vermittelt werden. Unter Training soll eine Lernform verstanden werden, die:

 

„Interkulturelle Trainingsangebote sind durch die angestrebte Intensität und Unmittelbarkeit von Lernerfahrungen, die Ganzheitlichkeit des Lernens und eine besondere Kompaktheit des Lernangebots in Verbindung mit Methodenvariation zu kennzeichnen.“ (Leenen, W. R.)

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7 Phasen interkulturellen Lernens

> Die generelle Kulturgebundenheit menschlichen Verhaltens erkennen und akzeptieren können

> Fremdkulturelle Muster als fremd wahrnehmen können, ohne sie (positiv oder negativ) bewerten zu müssen (geringes Maß an Kulturzentrismus)

> Eigene Kulturstandards identifizieren und ihre Wirkung in der Begegnung mit einer Fremdkultur abschätzen können (own-culture-awareness)

> Deutungswissen über bestimmte fremde Kulturen erweitern relevante Kulturstandards identifizieren und dazu weitergehende Sinnzusammenhänge in der Fremdkultur herstellen können

> Verständnis und Respekt für fremdkulturelle Muster entwickeln können

> Erweiterung der eigenen kulturellen Optionen:

> Zu und mit Angehörigen einer fremden Kultur konstruktive & wechselseitig befriedigende Beziehungen aufbauen, mit interkulturellen Konflikten praktisch umgehen können Interkulturelles Lernen ist nicht in jedem Fall eine Sache des freien Willens, es kann jedoch sinnvollerweise nur solange geschehen, wie die Entscheidung zum Kulturkontakt von den jeweiligen Lernenden subjektiv gewollt oder zumindest mit beeinflusst ist. Nur wer sich bewusst ist, dass alle Handlungen im Alltag und im Berufsleben kulturell geprägt sind, hat die Möglichkeit, differenzierter wahrzunehmen, zu handeln und zu kommunizieren.

 

Angaben zur Autorin:

Pauline Clapeyron M.A. Sozialwissenschaften (Internationale Politik wissenschaften/Interkultu-relle Didaktik/Völkerkunde). Bildungsreferentin zu Themenbereichen wie: Globales Lernen, Mehrsprachigkeit, „inter-religiöse Erziehung“, Fairer Handel. Freiberuflich, im Auftrag unter-schiedlicher Organisationen (u.a. Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung Sachsen-Anhalt (LISA)/Institut für Berufliche Bildung und Weiterbildung e.V., Göttingen/Büro für Migrationsfragen der Stadt Braunschweig) tätig.

Der Text wurde im März 2004 veröffentlicht in der Broschüre:

„Interkulturelle Kompetenz in der pädagogischen Praxis – eine Einführung“

vom europäischen Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, Oldenburger Str. 25; 24143 Kiel

Tel: 0431 / 73 50 00, Fax: 0431 / 73 60 77

Redaktion: Claudia Langholz

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